2
Jan
2013

Wir haben Angst vor Wandel

Ignatius_Joseph_III_dpa10012012
"Wir haben Angst vor Wandel“

Der Patriarch der syrisch-katholischen Kirche erklärt, warum ihm Assad
lieber ist als ein Sieg der Opposition. Er sieht sein Land auf eine
islamische Autokratie zusteuern.

taz: Eure Seligkeit, die Führer der Christen in Syrien versuchen,
neutral zu bleiben. Ist das in einem Konflikt, der zunehmend
konfessionelle Züge annimmt, noch möglich?

Seine Seligkeit Ignatius Joseph III.: Wir versuchen nicht, neutral zu
bleiben. Wir waren immer gegen die Korruption des Regimes. Aber wir
sind der Meinung, dass Gewalt nicht zu einer demokratischen
Gesellschaft führt. Wir können nicht vom Arabischen Frühling reden,
wenn eine gewaltsame Opposition das Regime stürzen will, weil dieses
die alawitische Minderheit repräsentiert, die Sunniten aber in der
Mehrheit sind. Dass die Demonstrationen immer nach dem Freitagsgebet in
den Moscheen begannen, sagt viel aus und hängt mit islamischem
Fanatismus zusammen.

taz: Es ist ein konfessioneller Konflikt, kein Volksaufstand.
Die Christen, die 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen, genossen in
dieser Diktatur weitgehende Freiheiten …

Seine Seligkeit Ignatius Joseph III.: Ich sage nicht, dass wir Christen
von einem solchen Regime beschützt werden müssen. Aber wir haben Angst
vor dem gewaltsamen Wandel. In der Innenstadt von Homs gibt es keine
Christen mehr. Unsere Kirchen und Häuser wurden angegriffen, ebenso in
Aleppo und anderswo.

taz: Sie sagen „wir Christen“. Aber kein religiöser Führer kann für
alle Christen in der Region sprechen. Wie stehen die Menschen selbst zu
dem Aufstand?

Seine Seligkeit Ignatius Joseph III.: Es gibt Christen, die gegen das
sogenannte etablierte Regime sind, und andere, die gegen diejenigen
sind, die sich Revolutionäre nennen. Meiner Meinung nach wollen die
meisten Christen ein stabiles Regime, egal wie dieses aussieht. Die
Christen haben keine Milizen und wollen nicht kämpfen, nur um das
Regime in ein muslimisch-autokratisches System zu verwandeln.

taz: Man kann sie die schweigende Mehrheit nennen oder sagen, dass sie
auf der Seite des Regimes stehen. Aber die Mehrheit will einen wahren
Regimewechsel. Sie will nicht nur ein Regime gewaltsam stürzen und
darauf hoffen, dass das nächste besser wird.Westliche Staaten
unterstützen die Opposition. Die jüngst gebildete Nationale Koalition
ist durch internationale Anerkennung gestärkt worden. Ist das falsch?

Seine Seligkeit Ignatius Joseph III.: Der Westen, die sogenannte
zivilisierte Welt, folgt nicht seinen Prinzipien von Freiheit und der
Trennung von Staat und Religion, sondern begünstigt den politischen
Islam. Er versucht, die wachsende muslimische Mehrheit zu
beschwichtigen und ihr die Freiheit zu geben, die Länder im Namen der
Religion zu regieren, so wie es jetzt in Ägypten geschieht. Dass es im
Kern ein konfessioneller Konflikt ist, wollen die Politiker im Westen
nicht anerkennen. Wir Christen wurden im Stich gelassen, sogar betrogen
von den sogenannten Demokratien der westlichen Welt.

taz: Also sagen Sie: Hätte der Westen wirkliches Interesse am Schicksal
der Christen in den arabischen Ländern, würde er die Diktaturen unterstützen?

Seine Seligkeit Ignatius Joseph III.: Genau. Die Christen laufen
Gefahr, nicht in ihren Ländern bleiben zu können. Die westlichen
Politiker unterstützen, was sie den Arabischen Frühling nennen, obwohl
sie schon immer wussten, dass er von dem Willen getrieben wird,
muslimische Autokratien zu errichten.

taz: Sollte die EU aufhören, die syrische Opposition zu unterstützen?

Seine Seligkeit Ignatius Joseph III.: Natürlich. Ansonsten wird der
Konflikt immer weitergehen. Deutschland muss sagen, dass Wandel
notwendig ist, aber nur mit politischen Mitteln erfolgen kann. Wir
dürfen nicht einfach ein Wunschbild der Zukunft im Kopf haben, in der
Syrien zu einer Demokratie wird wie in Europa. Das ist Fantasie.

taz: Sagen Sie, dass Demokratie in der Region nicht möglich ist?

Seine Seligkeit Ignatius Joseph III.:
Demokratie wie in Europa ist nicht möglich und wird für viele Jahre
nicht möglich sein.
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